Die Hirten protestieren auf der ganzen Insel

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sonja
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Re: Die Hirten protestieren auf der ganzen Insel

Beitrag von sonja »

Das ist im Prinzip das gleiche Problem wie bei uns in D. Wer wirklich jeden Cent umdrehen muss, der kauft halt lieber billig. Solange Dumpingpreise erlaubt sind, werden Leute diese Sparmöglichkeit nutzen.

Von Regierungsseite - hier wie dort - sollte nur noch fairer Handel erlaubt werden bzw. gefördert werden, dann würden sich die Preisunterschiede zumindest angleichen.
Wenn man tot ist, ist das für einen selbst nicht schlimm, weil man ja tot ist. Schlimm ist es aber für die anderen. Genau so ist es übrigens, wenn man doof ist...
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Su Corvu
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Re: Die Hirten protestieren auf der ganzen Insel

Beitrag von Su Corvu »

Auch die Bischöfe Sardiniens stellen sich auf die Seite der Hirten, hier der Bischof von Sassari:

https://video.lanuovasardegna.it/locale ... 998/106459
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Su Corvu
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Re: Die Hirten protestieren auf der ganzen Insel

Beitrag von Su Corvu »

Auch die Bischöfe Sardiniens stellen sich auf die Seite der Hirten, hier der Bischof von Sassari:

https://video.lanuovasardegna.it/locale ... 998/106459
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Su Corvu
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Re: Die Hirten protestieren auf der ganzen Insel

Beitrag von Su Corvu »

Ich möchte euch für Hintergrundinformationen zum Hirtenberuf noch einmal die hier vorgestellte Untersuchung empfehlen:

https://sardinien-forum.org/viewtopic.p ... dinien#p93

Silvia Di Natale hat vor einigen Jahren uns besucht, und sich dann in die Barbagia aufgemacht und die noch lebenden Hirten getroffen, die sie Anfang der 1980er Jahre interviewt hatte.

In ihrem Buch spricht sie ein Problem an, das auch gegenwärtig relevant ist: Die sardischen Hirten sind traditionell Einzelkämpfer, aber nach und nach sind auch Kooperativen entstanden. Gegen die Weltmarkt-Lebensmittelbranchen-Beherrscher wie Unilever & Co. haben sie aber keine Chance, es sei denn, sie würden die Vermarktung ins Ausland in die eigene Hand nehmen. Dazu bräuchten sie aber Kooperationspartner im jeweiligen Ausland.
Ich habe vor vielen Jahren in einem Gutachten für das Projekt "Agenti di Sviluppo" des CGIL-Bildungswerks in Deutschland skizziert, wie in D. lebende Emigranten hier prokuktiv eingebunden werden könnten
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Casa Sardegna
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Re: Die Hirten protestieren auf der ganzen Insel

Beitrag von Casa Sardegna »

@Sonja und Salamanghe: Es ehrt Euch sicherlich, so zu handeln, wenn Du es Dir leisten kannst. Das sagt sich mit einem deutschen Einkommen oft leichter als mit einem italienischen. Schließlich haben die Menschen in Italien und speziell auf Sardinien in den letzten Jahren deutliche Verluste der Kaufkraft hinnehmen müssen.

Wie willst Du jemandem, der jeden Cent zweimal rumdrehen muss, dazu bringen, die teureren lokalen Produkte zu kaufen?

Etliche sardische Produkte sind wg. der "schlechteren" Produktionsbedingungen nun mal teurer, als die Fabrik- und Gewächshausware aus anderen südeuropäischen Ländern. Und nicht jeder auf Sardinien hat, wie z.b. meine Schwiegereltern, seinen eigenen Garten, Weinberg, Olivenhain oder Felder, aus dem er sich gut und preiswert selbst versorgen kann.

Ich will die bessere Qualität den sardischen Produkte überhaupt nicht absprechen, aber wenn im Supermarkt die "Latte dell´Isola" 20 ct mehr kostet, als das Parmalat-Produkt vom continente, dann kauft man eben die günstigere Milch, wenn das Geld nicht für mehr reicht. Das hat nichts mit einer "Geiz ist Geil" Denke zu tun, sondern mit fehlender Kaufkraft. Solange hier nicht nachgebessert wird, wird sich das Verhalten der Verbraucher nicht ändern.

Gut finde ich, dass sich die Proteste mittlerweile ausweiten und somit eine deutlich stärkere Wahrnehmung und damit Druck erzeugen.
Mal gespannt, wann die Hirten anfangen, gelbe Westen zu tragen.
Tanti Saluti

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Re: Die Hirten protestieren auf der ganzen Insel

Beitrag von Salamaghe »

Casa Sardegna, auch wir haben kein deutsches Einkommen und keine deutsche Rente. Trotzdem kaufe ich meist einheimische Produkte, es geht. Wir sind zu zweit.Bei einer Familie mit dem Geld was man hier verdient ist es schwer, dass möchte ich auch nicht kritisieren.
Ein Einkauf auf dem Markt ist teilweise preiswerter, wenn man das kauft was die Jahreszeit her gibt. Oder ein Kilo Pecorino in der Käserei in Budoni kostet 11 Euro, das bekommt man im Auchan nicht.
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eckart
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Re: Die Hirten protestieren auf der ganzen Insel

Beitrag von eckart »

Ich denke, es ist auch zu kurz gedacht, zu glauben, wenn alle auf Sardinien lebenden nur sardische Produkte kaufen hat der Hirte bzw. jeder auf Sardinien lebende sein Einkommen. Und, auch Sarden haben ein Recht aus der Vielfalt der Angebote zu wählen.
Woanders schmeckt es auch. Also kauf ich mir doch hier in D nicht nur Produkte aus der Region Niedersachsens. Da hätte ich dann bezüglich Wein ja schon ganz schön Nachteile. Oder soll ich mir jetzt von einem deutschen Winzer vorwerfen lassen, ich kaufe und bringe mir aus Sardinien den Wein mit, anstatt ihn von Deutschen Winzern zu kaufen? Oder gar: statt Wein trinkst Du ab sofort nur Bier!? Und ich trinke kein Bier.

Wie schon im Thema angedeutet. Es ist ein europäisches Problem. Die Konzerne am Markt drücken die Preise und nach unten muss es eine Grenze geben. So, wie mit dem Mindestlohn. Und ich meine nicht jetzt den Verkaufspreis im Supermarkt, sondern den Einkaufspreis beim Produzenten. Also beim Hirten. Seine Arbeit, seine Kosten müssen fair bewertet werden. Und wenn der Liter dann schon 1 Euro kosten würde, dann kostet er halt im Supermarkt zwischen 1,50 und 2,50. (Summen sind jetzt Beispielhaft aus der Luft gegriffen und haben keinerlei Grundlage) Aktuell wird der Gewinn auf Kosten der Hersteller / Produzenten gemacht. Egal in welchem Land. Und da muss es ein Schutzmechanismus geben. Und das kann nur die Politik und da die ja absolut auf einen anderen Stern sich wähnt müssen Proteste nachhaltig durchgeführt werden.

Was wäre wenn. Stellt Euch nur vor. Kein Hirte mehr, keine Schafe mehr. Alle Straßen immer frei.. :ugeek: ..NEIN, ICH WILL MAL AN SCHAFEN VORBEIFAHREN, ODER UMRINGT SEIN :D ; ODER WAS WEIß ICH MIT SCHAFEN AUF SARDINIEN ERLEBEN.
Meine Muttersprache ist deutsch - Ich bin EUROPÄER!
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Re: Die Hirten protestieren auf der ganzen Insel

Beitrag von Karin »

Es ist (nicht nur in der Lebensmittelbranche) ein Problem der Politik. Die gesetzlichen Vorgaben werden unter dem Deckmantel des Verbraucherschutzes zunehmend für die Großproduzenten gemacht, die sich die Umsetzung locker leisten können. Die kleinen Erzeuger dagegen bleiben auf der Strecke, weil sie denselben Verordnungen unterliegen, sich aber die geforderten Investitionen gemessen an ihrem geringen Umsatz gar nicht leisten können. Wir haben es mit der systematischen Verdrängung der Kleinen zu tun, die von der Politik einfach ausgeblendet wird.

Wir hatten hier in D in unserer Nähe einen Bauern mit einer Schafherde auf satten Wiesen. Hervorragendes Fleisch! Drei- bis viermal im Jahr kam ein Schlachter auf den Hof. Vor ca. 15 Jahren genügte der Schlachtraum auf einmal den neuen EU-Anforderungen nicht mehr. Sie hätten um- und anbauen müssen, um neue Schleusen etc. installieren zu können. Eine riesige Investition für den kleinen Hof, die sich für die drei oder vier Schlachtungen im Jahr niemals gerechnet hätte. Daraufhin wurden die Schafe zum 30 km entfernten Schlachthof gefahren - und die Bäuerin konnte die Angst ihrer Schafe und Lämmer beim Transport und bei der Massentötung dort nicht ertragen. Zudem war es auch noch erheblich teurer als die früheren Hofschlachtungen. Schweren Herzens haben sie ihre Schafherde daraufhin ganz aufgegeben.

Dieselben Veränderungen greifen doch im EU-Land Italien und damit auch auf Sardinien genauso. Vielleicht wird dort noch nicht so genau hingeguckt und überprüft wie bei uns, aber die Marschrichtung ist die gleiche: hin zur Massenproduktion der großen Erzeuger.
Auch die Hygienestandards für die Milchproduktion dürften immer weiter anziehen und Investitionen erfordern, sie sich die Hirten und Bauern für ihre vergleichsweise kleinen Mengen gar nicht leisten können, wenn sie über den Milchpreis nicht angemessen entlohnt werden.
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Re: Die Hirten protestieren auf der ganzen Insel

Beitrag von futurestyling »

Ja Karin,dem ist fast nichts mehr hinzuzufügen, da liegst du leider vollkommen richtig!
Solange die Eu-Förderungen nach Größe des Betriebes ausbezahlt werden geht das Sterben der kleinen Landwirtschaften und Bergbauern weiter!
Hier muß ein rasches Umdenken der EU- Ponzen stattfinden und diese Kleinbetriebe dementsprechend gefördert werden.Sie sind es die eine alte Kultur und Tradition noch hochhalten,den Nahbereich versorgen und die Freiflächen und Bergmäder noch pflegen uns so auch die schwindende Artenvielfalt erhalten,den Schutz vor Naturkatastrophen und Lawinengefahr durch Landschafts-Pflege gewährleisten und vor Verkarstung schützen.
Ich hoffe sie hören das bald und reagieren dem entsprechend, hoffen darf man ja noch.........
LG,Helmut
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Hans1
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Re: Die Hirten protestieren auf der ganzen Insel

Beitrag von Hans1 »

In meinen Augen hat das Thema nicht zwingend mit regional oder nicht regional zu tun, eher mit der zunehmenden Globalisierung.
Solange unsere großen Unternehmen trotz weiter Transportwege im Ausland auch außerhalb der EU billiger einkaufen können und der Verbraucher die günstige Ware ohne nachzudenken abnimmt, wird sich daran nicht viel ändern.
Somit werden die Kleinerzeuger solange erpresst bis ihnen nichts anderes übrigbleibt als aufzugeben.
Dies betrifft alle Branchen in unserer ach so tollen EU die jedes nationale Gesetz aushebeln kann.
Die einzige Nation die sich a bissl was traut, ist Frankreich, da blockieren die Landwirte schon mal die Aurobahn mit ihren Traktoren, oder machen richtige Demo's (leider nicht immer friedlich).
Es gibt doch mit Sicherheit auch auf Sardinien Zwischenhändler/Produzenten von Milch. Da sollte man mal ansetzen und versuchen die Lieferungen/Produktion zu beeinflussen. Klar, ich seh das jetzt von der Ferne betrachtet und habe auch keine Ahnung wie lange das die Schafzüchter durchhalten, in D bei Müller Milch hat das vor zig Jahren funktioniert.
Sadali :o
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