Vorsteuerabzugsberechtigung bei Handwerkern

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Luna sarda
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Vorsteuerabzugsberechtigung bei Handwerkern

Beitrag von Luna sarda »

Aus gegebenem Anlass stellt sich die Frage, ob es mit dem Vorsteuerabzug hier funktioniert wie in D. Ein kleines Maurerunternehmen (3 Mann) erhält vom Händler auf dem Kontinent eine Rechnung über Baustahl, in der auch IVA ausgewiesen ist. Das Unternehmen bezahlt diese Rechnung und nimmt die Bruttosumme incl.IVA als Grundlage für die Weiterberechnung an seinen Kunden. Der Kunde = Bauherr sagt, das dass falsch ist, da er dann ja 2 x IVA für das Material, also 44 % bezahlen müsste anstatt nur 22%. Das Maurerunternehmen macht die Rechnungstellung über seinen Steuerberater, der dann doch wissen müsste, ob das richtig oder falsch ist bzw. ob Vorsteuerabzug möglich ist, um die doppelte Versteuerung zu verneiden.
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Karin
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Re: Vorsteuerabzugsberechtigung bei Handwerkern

Beitrag von Karin »

Ich glaube, die Fragestellung hat schon einen Haken.

Aber erst mal allgemein: Das Prozedere beim Vorsteuerabzug ist EU-weit überall gleich. Innerhalb einunddesselben Landes muss die Umsatzsteuer in Rechnung gestellt werden und wird vom gewerblichen Empfänger mit dessen eigenen Umsatzsteuer-Einnahmen verrechnet, bevor der Differenzbetrag ans Finanzamt geht.
Auf Grund der unterschiedlichen Umsatzsteuersätze erfolgen Lieferungen aus dem EU-Ausland an gewerbliche Empfänger umsatzsteuerfrei, sofern der Empfänger eine Umsatzsteuer-ID hat. Der Empfänger der Ware ist verpflichtet, den Umsatzsteuersatz seines eigenen Landes an sein Finanzamt abzuführen. Mittels der USt-ID wird diese Forderung von der europäischen Finanzbehörde zentral von einem Land ans andere übermittelt.

Jetzt zu dem Haken, denn es ist überhaupt kein steuerliches Problem, sondern nur ein blöder Zufall, dass das Maurerunternehmen seine eigene Gewinnspanne in Höhe der Umsatzsteuer ansetzt:
Kein Unternehmen, das Ware für die Weiterverarbeitung oder für den Einsatz bei seinem Kunden einkauft, ist verpflichtet, dem Kunden nur den eigenen Einkaufpreis in Rechnung stellen zu dürfen. Denn das würde ja bedeuten, dass der ganze Beschaffungsvorgang kostenlos erfolgen müsste. Wer arbeitet schon für durchlaufende Kosten?
Üblicherweise ist es deshalb so, dass ein Handwerker das von ihm besorgte Material mit einem Aufschlag auf seinen eigenen Einkaufspreis an seine Kunden weiterverkauft. Die Höhe dieses Aufschlags wird nirgends vorgeschrieben und i. A. erfährt der Kunde auch nichts vom Einkaufspreis seines Handwerkerunternehmens.
Man kann als Kunde also nicht darauf pochen, dass ein Unternehmen nicht mehr als die selbstbezahlte Brutto-Rechnungssumme in Rechnung stellen darf. Dieses kleine Maurerunternehmen war wohl etwas schofelig, indem es seine eigene Einkaufsrechnung offengelegt hat. Wenn die Maurer nun die Brutto-Rechnung dem Kunden gegenüber als Maßstab zugrunde legen und darauf noch mal Umsatzsteuer erheben, ist das ihr gutes Recht. Dann verdienen sie 22 % an dem Beschaffungsvorgang. Dadurch wird nichts doppelt versteuert.
Wenn man diesen einen Vorgang (Rechnungen über Baustahl) isoliert betrachtet, zahlt das Maurerunternehmen den Differenzbetrag zwischen dem Umsatzssteuerbetrag, den es von seinem Kunden bekommt, abzüglich des (geringeren!) Umsatzsteuerbetrags, den es selbst an seinen Lieferanten bezahlt hat, an das Finanzamt. Deshalb heißt diese Steuer bei uns ja auch "Mehrwert"-Steuer. Durch den Beschaffungsvorgang des Maurerunternehmens und die daraus resultierende höhere Rechnung an seinen Kunden wurde ein Mehrwert geschaffen, der versteuert werden muss.
Zuletzt geändert von Karin am 31.08.2022, 18:19, insgesamt 1-mal geändert.
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Luna sarda
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Re: Vorsteuerabzugsberechtigung bei Handwerkern

Beitrag von Luna sarda »

Danke Karin, das beantwortet alles und bestätigt auch meine Sichtweise. Der Kerl war einfach doof, alles offen zu legen, aber die Deutschen (Meister bei Einsparversuchen) haben ihn so unter Druck gesetzt, weil sie angeblich weitaus günstigere Preise für Baustahl im Internet gefunden hatten (an der Rohstoffbörse und das Anfang 2021... seitdem ist der Preis um mehr als 150% angestiegen).
Weil ja die Rohstoffbörse ohne Zwischenhändler direkt nach Sardinien liefert :D
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Karin
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Re: Vorsteuerabzugsberechtigung bei Handwerkern

Beitrag von Karin »

Boah, mit solch einem Kunden möchte ich auch nichts zu tun haben....
Ich glaube, der wollte dieses kleine Maurerunternehmen für doof verkaufen.
Rohstoffbörse ist ja wohl ein Witz. Ich hätte diesem Besserwisser-Typen nahegelegt, sich seinen Baustahl dann doch besser selbst dort zu beschaffen :lol: - oder kleinere Brötchen zu backen.
Aber auch verquere steuerliche Argumente werden gerne bemüht, um den anderen über den Tisch zu ziehen - in der Hoffnung, dass dieser von der Materie selbst nicht genug Ahnung hat, sich von falschen Behauptungen verunsichern und beeindrucken lässt und schließlich nachgibt.
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